<145>war Lord Hyndfords Nachricht mit so wahrscheinlichen Einzelheiten ausgeschmückt, daß es der Mühe wert war, sich Klarheit zu verschaffen, bevor man sie gänzlich verwarf. Da war ein gewisser Hatsel1, ein französischer Agent, zum Kurfürsten von Mainz gekommen, um ihm die für die Engländer bestimmten Vorschläge zu hinterbringen. Zum Kurfürsten von Mainz war auf Betreiben der Österreicher Ostein an Stelle des Grafen von Eltz, der Karl VII. gekrönt hatte, erwählt worden2. Er war also eine Kreatur des Wiener Hofes und stand außerdem noch im Solde der Engländer, denen er sich mit Haut und Haaren verkauft hatte. Graf Finck wurde nach Mainz gesandt, um die Sache aufzuklären. Auch in Frankreich setzte man alles in Bewegung, um die Wahrheit zu erfahren. Aber es war ganz vergebliche Mühe. Vielleicht hatte Hatsel auf eigne Faust Äußerungen getan, die jene Erzählung veranlaßten. Es war ein Abgrund von Verlogenheit, und es gehörte ein neuer Ödipus dazu, um das Geheimnis zu enthüllen.

Eine wichtigere Unterhandlung nahm jetzt ihren Anfang. Der Versailler Hof beschloß, den König von Sardinien in Frankreichs und Spaniens Interesse zu ziehen. Allerdings bestand ein provisorischer Traktat3 zwischen Karl Emanuel und Maria Theresia, aber der war so unbestimmt und in so allgemeinen Ausdrücken gefaßt, daß man ihn ohne Treulosigkeit brechen konnte. Die Unterhandlung der Franzosen machte in Turin Fortschritte und wäre auch zum Abschluß gelangt, hätten die Franzosen und Spanier nicht zu sehr um kleine Vorteile gefeilscht. Lord Carteret erfuhr, was in Turin angesponnen ward. Er schacherte nicht: seine Anerbietungen auf Kosten von Österreich übertrafen die der Franzosen, und er gewann den König von Sardinien für sich. Durch diesen neuen Vertrag trat die Königin von Ungarn dem König von Sardinien die Gebiete von Vigevano und Tortona sowie einen Teil des Herzogtums Parma ab; dafür garantierte der König von Sardinien ihr alle ihre Besitzungen in Italien und verpflichtete sich, sie nach besten Kräften zu verteidigen. So kam der Vertrag von Worms zustande (13. September 1743).

Der Wiener Hof war aufgebracht, daß ihn die Engländer fortwährend zu neuen Abtretungen zwangen. Man fand, daß sie sonderbare Bürgen der Pragmatischen Sanktion wären, da sie immerfort neue Lücken in sie rissen. Der König von Preußen hielt die Stimmung der Österreicher für vorteilhaft, um ihnen friedliche Gesinnungen einzuflößen. Er ließ zu Wien vorstellen, daß die Rolle, die die Österreicher in Europa spielten, nicht würdig sei. Hielte man den Kaiser für die Drahtpuppe Ludwigs XV., so gälten sie für die Marionetten Georgs II. Der Friede wäre das einzige Mittel, von der Vormundschaft Englands loszukommen. Diese Vorstellungen verfehlten ihren Eindruck um so weniger, als die Tatsachen stimmten. Trotzdem aber riß die Hoffnung auf den Wiedergewinn von Lothringen sie auf dem eingeschlagenen Wege fort. Der


1 Unterintendant von Straßburg.

2 Am 22. Aprll 1743 war Graf Johann Friedrich Karl Ostein dem Grafen Philipp Karl von Eltz (vgl. S. 38) als Kurfürst und Erzbischof gefolgt.

3 Vom 1. Februar 1742.